DUCATI 900 Mike Hailwood Replica
Ein Motorrad, eine Legende
Die Nachricht im September 1977 schlug ein wie ein Bombe: Mike Hailwood würde im kommenden Jahr wieder bei der Tourist Trophy auf der Isle of Man starten. Die Rückkehr von Mike Hailwood zum knapp 61 km langen Kurs, bestehend aus abgesperrten öffentlichen Straßen, war vielleicht die größte Sensation überhaupt in der mitlerweile gut 60 Jahre alten Geschichte des Motorradrennsports auf der Insel. Zuletzt war Mike 1967 dort gefahren – sein damals aufgestellter Rundenrekord wurde erst 1975 gebrochen – und schon 38 Jahre alt, wollte er nun 1978er TT noch einmal gewinnen. Und das tat er auch!
Nach diesem sensationellen Sieg witterte auch das finanziell angeschlagene Ducati-Werk die Chance, diesen Sieg in Form eines „Mike Hailwood Replica“ Modells zu nutzen. Es sollte jedoch über ein Jahr dauern, bis das Serienmodell der „Ducati 900 MHR“ erschien.
Die Basis der „900 MHR“ war die 900 Super Sport, an der nur wenige Modifikationen vorgenommen wurden – und zwar fast ausschließlich auf ästhetischer Ebene: vor allem natürlich die Vollverkleidung und das unverwechselbare Heck. Die dreifarbige Lackierung in den Farben des Hauptsponsors Castrol machen die MHR zu einer zeitlosen Stilikone.
Aus technischer Sicht ist die 900 MHR nahezu ident zur 900 Super Sport. Der luftgekühlte V2-Motor mit einem Zylinderwinkel von 90° hatte ebenso einen Hubraum von 864cm³ und teilte sich auch die Motornummernsequenz. Es wurden jedoch von Anfang an 40mm Dell’Orto Vergaser verbaut. Die angegebene Leistung von 80PS bei 7.000 U/Min lag damit etwas höher im Vergleich zur 900 SS. Dank der desmodromischen Ventilsteuerung kann der Motor bis 8500/min drehen.
Nummer 4249
Die hier gezeigte „Mike Hailwood Replica“ stammt mit Rahmennummer 4249 aus der 1983er Produktion und ist damit eine der letzten 900 MHR mit Kickstarter überhaupt.
Der Zustand lässt das Sammlerherz höher schlagen: Das Fahrzeug aus Erstbesitz ist im absoluten Originalzustand und hat aktuell lediglich 17.894km auf dem Tacho. Die geringe Laufleistung bei einem Alter von aktuell 40 Jahren lässt damit erklären, dass diese MHR einen Großteil ihres Lebens in einer Privatsammlung stehend verbrachte.
Der Motorgehäuse ist auf der Unterseite nach wie vor verplombt, was darauf schließen lässt, dass der Motor noch nie geöffnet wurde. Alle Kühlrippen sind heil und auch sonst sind so gut wie keine Abnutzungen erkennbar.
Die Lackierung scheint nach wie vor die originale zu sein – keine Nachlackierungen oder Ausbesserungen erkennbar. Lediglich ein paar Reißverschlusskratzer auf dem Tank konnte ich finden. Die originale Verkleidungsscheibe hat leider einen geklebten Sprung. Die ab Modelljahr 1981 eingeführte zweiteilige Verkleidung weißt keine Risse oder dergleichen auf und auch die Seitendeckel mit den MHR Stickern sind noch gut in Schuss.
Auftrag
Originalität ist ein hohes Gut. Ich liebe alte Motorräder weil sie aus vergangenen Jahrzehnten erzählen und uns auf eine Zeitreise mitnehmen. Und je mehr das Motorrad von den Gedanken und Absichten seiner Erbauer originalgetreu erzählt, umso größer ist der historische Wert. Dieses Motorrad soll wieder Fahrbereit gemacht werden – natürlich nur für besondere Anlässe. Es war daher angedacht, nach einer intensiven Reinigung und Politur, behutsame Reparaturen von Standschäden und darüber hinaus noch Zustandserhaltende Maßnahmen vorzunehmen.
Im Gegensatz zur Super Sport, bei der Veglia- oder Smith-Instrumente verwendet wurden, verfügte die 900 Replica über zuverlässigere Nippon Denso Instrumente mit km/h und mph Beschriftung. Des Weiteren wurde ein CEV Scheinwerfer, Blinker und Rücklicht, sowie Schaltereinheiten von und Nippon Denso verbaut.
Inbetriebnahme
Nach einer gründlichen Reinigung, Inspektion wurde ein neuer Ölfilter verbaut und natürlich knapp 6 Liter frisches Öl eingefüllt. Beim Betanken des 24l Stahltank wurde schnell klar, dass die Benzinhahndichtungen hinüber waren. Im Zuge dessen wurden auch gleich die Schwimmerkammerdichtung der Vergaser getauscht. Neue Batterie eingebaut, Bremsen befüllt und für den ersten Startversuch wurden Königswellen vorgeölt – das war’s.
Start. Der Kickstarter verhindert, dass sich Uneingeweihte an einer Ducati MHR 900 vergreifen. Nur „Zündung an und Drauftreten“ nützt nichts. Aber man hat’s gleich heraußen: Dell’Orto Vergaser fluten, den Verdichtungs-OT ertasten und kräftig durchtreten. Man sollte nicht glauben, wie glücklich das einen Technikbegeisterten machen kann. Sie sprang sofort an! Sie läuft! Wie schön sie bollert! Der Motor läuft ruhig und wirkt überlegen.
Der Ventiltrieb über die Königswellen und acht Kegelräder sind deutlich hörbar. In Verbindung mit den ungefilterten Ansauggeräuschen und dem Fauchen und Blubbern im Takt der asymmetrischen Zündfolge des L-Twins aus den nahezu offenen Conti-Rohren gipfelt dies in einem klanglichen Höhepunkt.
Natürlich will ich auch erfahren, wie sich ein vermeintlicher Oldtimer anfühlt. Sechs Liter Öl und eine empfindliche Mechanik wollen behutsam warm gefahren werden. Genügend Zeit um sich mit der Ergonomie der Sportmaschine vertraut zu machen. So radikal sie optisch sein möchte, man sitzt eigentlich hervorragend. Die Bremsen verzögern vorbildlich für das Baujahr und die Schaltung ist exakt und leichtgängig. Im Vergleich zu den Guzzis aus jener Zeit eine echte Feinmechanikmaschine. Unter Last ist der Sound nochmal betörender! Unglaublich – es macht förmlich süchtig! Man will ständig am Gas bleiben. Und ich bin der Meinung, dass man ganz eindeutig die Verwandtschaft zu den modernen Desmo-Triebwerken einer Ducati 851 oder 916 fühlen und hören kann. Dass eigentlich nur 10 Jahre zwischen diesem, archaisch anmutenden Motorrad und der Ducati 851 mit flüssiggekühlten, 4 Ventil-Motor mit Einspritzung liegen, ist unglaublich.
Bis 8.400 U/Min gibt es genug Leistung und Drehmoment. Das nutzbare Drehzahlband ist breit, auch von unten raus zieht der V2 sauber raus. Dank des großzügigen Drehmoments und der Stabilität des Fahrwerks war die 900 MHR der japanischen Konkurrenz fahrtechnisch wohl noch überlegen. Natürlich ist bei schnellen Richtungswechsel eine gehörige Portion Körperlichkeit gefragt, aber als „stur“ oder „unhandlich“ – wie oft zu lesen – würde ich das auf keinem Fall sehen. Dieses Fahrgefühl gehörte gewissermaßen zur Tradition aller sportlichen Ducatis und die MHR 900 war zweifelsohne eine der würdigsten Vertreter.
Wer diesem Motorrad mal zu nahe gekommen ist, wird dieses Erlebnis nicht mehr vergessen, oder viel schlimmer, er wird infiziert. Die Ducati 900 MHR ist ein echtes Sportmotorrad im italienischen Stil – Zeuge einer bewegenden Motorradbaugeschichte und selbst eine zeitlose Ikone.
Quellen: „The Ducati 86, 900 and Mille Bible“ – Ian Falloon, „Mike Hailwood“ – Frank-Albert Illg, Monografia Ducati MHR 900
Fotos: Martin Fischer